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Befreiungstheologie

Im Kern geht es der Befreiungstheologie letztlich um nichts anderes, als (ideologie-)kritisch anzuerkennen und praktisch zu ändern, dass so viele Menschen ökonomisch, politisch und sozial durch den Norden/Westen, aber auch innerhalb dieser sozioökonomischen Zentren (z.B. ökonomisch, gender), unterdrückt sowie ausgebeutet werden, dass gerade auch diese irdischen Ungerechtigkeiten die Durchsetzung des Reiches Gottes verhindern und damit Heil auch im theologischen Sinne verunmöglichen. Die Befreiungstheologie betont den Zusammenhang von Heil und Gerechtigkeit, von Transzendenz und Geschichte und vertritt ein dialektisches Konzept von Theorie und Praxis, in dem die Praxis auch Anfragen an die theologische Theorie stellt. Zur Analyse der konfliktiven Wirklichkeit, zur Identifikation von Unterdrückung sowie in der Frage nach der praktischen Realisierung von Befreiung tritt sie in einen methodischen sowie methodologischen Dialog mit marx(isti)schen, linken und kritischen Theorien. Dabei identifiziert sie das strukturelle Problem einer kapitalistisch funktioniserenden Gesellschaftsformation nicht im Reichtum an sich, sondern im dialektischen Antagonismus zwischen Reichtum und Armut, d.h. in der Armut als der für den Reichtum konstitutiven Bedingung der kapitalistischen Gesellschaftsformation sowie in der damit integral zusammenhängenden Akkumulations- und Wachstumslogik. Für alle Formen von Unterdrückung und Ausbeutung gilt deshalb der ikonische Satz der amerikanischen Abolitionistin und Frauenrechtlerin Sarah Grimké über die geschlechtliche Gleichstellungsforderung:

Sarah Grimké: Letters on the Equality of the Sexes (1837)

»Aber ich fordere keine Vergünstigungen für mein Geschlecht. Ich gebe unsere Forderung nach Gleichheit damit nicht auf. Alles, was ich von unseren Geschwistern fordere, besteht darin, dass sie ihren Fuß von unserem Nacken nehmen und uns erlauben, aufrecht auf demjenigen Boden zu stehen, den zu bewohnen Gott uns erschaffen hat. Hätte er uns nicht diejenigen Rechte gegeben, die – wie ich es wahrnehme – uns entrissen worden sind, dann würden wir umgehend unsere Minderwertigkeit bezeugen und in diejenige Finsternis zurücksinken, die uns die erhabene männliche Großherzigkeit als die uns angemessene Sphäre zugewiesen hat.«1

Siehe etwas ausführlicher zu den Grundcharakteristika der Befreiungstheologie: www.btg-bamberg.org/befreiungstheologie/


  1. Grimké, Sarah: Letters on the Equality of the Sexes (1837), Letter 2 (17.07.1837)